Der Erste sein

Tansania ist ein junges Land – nicht was die Besiedlungsgeschichte betrifft, die ist natürlich viel älter als die in Europa, sondern wenn es um das Durchschnittsalter geht. Das liegt bei nicht ganz 17 Jahren – in Österreich und Deutschland ist der Durchschnitt fast 30 Jahre älter, als hier.

Aber was bedeutet es ein junger Mensch in diesem Land zu sein? Wir besuchen immer wieder Schulen und haben auch Zeit mit Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen, aber besonders mit unseren Stipendiatinnen und Stipendiaten ergeben sich längere Gespräche.

Einer davon ist Godfrey, der auf seinen Weg vom College in Dar es Salaam zu seinem Praktikum einen Zwischenstop im Heimatort Ifakara eingelegt hat. Am selben Abend soll es noch weitergehen, aber er wollte seine Mutter und Schwester besuchen und uns sehen. Für unsere Stipendiaten ist es nicht immer einfach mit uns zu sprechen. Es fehlen die Worte. Warum, das erklärt er uns.

Für jemanden aus einer armen Familie ist es nicht möglich eine höhere Ausbildung zu erreichen. Wer soll es bezahlen? Wenn es also doch klappt – das ist wie ein Wunder.

Und was kann man zu einem Wunder sagen? Für uns immer eine schwierige Situation. Man muss aushalten, dass immer wieder “Danke, ich danke euch” gesagt wird, auch wenn unsere Hilfe ohne die Bemühungen und harte Arbeit der jungen Menschen sinnlos wäre. Ohne Geld verpufft jede Bemühung ihrerseits. Bildung ist hier zu teuer, um für alle zugänglich und erreichbar zu sein.

Meine Mutter ist alleinerziehend. Der Vater hat uns verlassen. Wir leben von der kleinen Landwirtschaft – ein paar Felder sind es, mehr nicht. Meine Schwester ist jünger und geht noch zur Schule. Und ich, ich kann studieren. Transportmanagement – Schwerpunkt Züge. Tansania will das Bahnnetz erneuern und ausbauen und ich gehöre zum ersten Studienjahrgang für dieses Fach. Es wird genug Arbeit für uns geben.

Nun gut, kann man da sagen, was hat nun der Rest der Familie davon, dass dieser junge Mann studiert und dann vielleicht, hoffentlich eine gute Arbeitsstelle findet? Wir fragen ihn – Godfrey sieht uns etwas verwirrt an, die Frage versteht er nicht. Erst nach einiger Erklärung weiß er worauf wir hinaus wollen.

Wenn ich Geld verdiene …natürlich helfe ich meiner Familie. Es ist meine Verantwortung. Die Ausbildung meiner Schwester, Hilfe für meine Mutter und auch das Schulgeld für andere Familienmitglieder …es ist selbstverständlich, dass ich das bezahlen werde. Ich komme aus einer armen Familie, ich habe diese Chance bekommen. Ich muss sie nutzen, für uns alle. Ich muss unter den ersten (besten) meiner Klasse sein.

Verantwortungsbewusstsein wird hier groß geschrieben. Er hat vor, der erste in der Familie zu sein, der ein Studium abschließt. Und Familie bedeutet hier mehr als die Kernfamilie, schließt also auch Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen mit ein.

Ja, eine große Verantwortung ruht auf den Schultern des jungen Mannes – und auch viel Hoffnung. Mit eurer Hilfe konnten wir ihm zumindest die Last der finanzielle Sorge von den Schultern nehmen.

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