Im Garten mit Gaddafi

Bestehende Gruppen zu unterstützen ist für uns ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Immer häufiger kommen Gruppen auf uns zu und wünschen sich Zusammenarbeit. Das ist ein großer Vertrauensbeweis und ein Zeichen, dass unsere Arbeit hier positiv wahrgenommen wird.

Es wird Abend in Ifakara. Langsam nähert sich die Sonne den Palmen und den mächtigen Mangobäumen, als wir über einen holprigen, ungeteerten Weg in den Ortsteil Viwanja Sitini kommen. Um jedes Haus findet man kleine Gemüsegärten, in den Okras, Spinat und Kohl wächst.

Als wir bei unseren Besuch hier waren, war die Gruppe, die uns jetzt erwartet, noch am Anfang der Ideenfindung. Inzwischen haben sie bereits mit einem Projekt begonnen. Die Gruppe besteht Derzeit aus 5 Frauen und gemeinsam haben sie begonnen eine Hühnerzucht aufzubauen. Wir wollen sie mit Beratung   und beim Aufbau ihres Zuchstamms unterstützen.  Der Plan ist, sowohl die Eier zu verkaufen, aber auch die Fleischproduktion.

Auf die Idee sind sie gekommen, weil eine von ihnen bereits Hilfe von ums beim Start ihres kleinen “Dorfladens” bekommen hat. Mwalimu Wiso (Lehrerin  Wiso), so kennt man sie hier. Mit der Startfinanzierung des Vereins hat sie ihre erste Ware gekauft. Inzwischen läuft der Laden (nicht nur im übertragenen Sinn), in dem es Gemüse, Obst und Dinge des täglichen Bedarfs, wie z.B. Zahnbürst, gibt.

Und so sitzen wir im Garten einer der Frauen, von Mauern umgeben und überall Obstbäume und Bananenstauden. Die bereits vorhandenen Hühner fühlen sich sichtlich wohl, genauso die Perlhühner, die lautstark auf sich aufmerksam machen.  Wir besprechen dir Pläne und Kalkulationen und freuen uns, dass die vagen Pläne der letzten Jahre nun mehr Gestalt angenommen haben. Selbst ein Bankkonto mit Rücklagen haben sie geschaffen und sogar eine offiziell registrierte Vereinsgruppe sind sie nun – zur Absicherung, sollte eine der Frauen ausfallen.

Frauen, die füreinander einstehen, einander helfen und zusammenhalten. Eine ist katholische Katechetin, eine Muslima … sie sitzen hier zusammen und arbeiten zusammen an neuen Projekten.  Sie verbindet, dass sie ihre Familien finanziell absichern wollen, ihren Kindern den Schulbesuch ermöglichen wollen und im Fall von Krankheiten das Geld für die Behandlung haben wollen. Sie sind Mütter – sie alle.

Als wir das Grundstück wieder verlassen, ist die Sonne noch etwas tiefer  gerutscht und der in die Jahre gekommene Wachhund “Gaddafi” freut sich, dass er wieder seine Ruhe hat. Von den Hühnern lässt er sich nicht bei seiner Siesta stören.

Foto: Manuela Federl

Investition ins Wasser gefallen?

In den letzten Jahren werden die Auswirkungen des Klimawandels immer mehr zum Problem für die Menschen in Ifakara. Fast alle hier beziehen zumindest einen Teil ihres Einkommens aus der Landwirtschaft. Egal mit wem man spricht,  ob Lehrerin, Bäcker oder Weberin, alle haben irgendwo Felder um etwas anzubauen und so ein Auskommen zu haben.

Wir besuchen Oskar,  einen der Katecheten aus Ifakara. Sein Einkommen aus dieser Tätigkeit reicht bei weitem nicht aus um die Familie zu ernähren.  Über den Verein hat er Hilfe für den Start einer  Hühnerzucht bekommen und jetzt auch Beratung und Unterstützung für den Anbau auf seinem Reisfeld.

In diesem Jahr haben die Regenfälle in Ifakara erst vor Kurzem begonnen – das ist spät und für viele zu spät. Die meisten haben wie gewöhnlich bereits Anfang April damit gerechnet und dementsprechend den Reis angebaut. Aber ohne Regen, kein Reis. Diese Pflanze ist die Basis der Ernährung für den Großteil der Menschen hier. Durch den Klimawandel wird der Anbau aber immer mehr zur Herausforderung. 

Oskar geht mit uns sein Feld ab. Zufrieden blickt er auf seine Pflanzen und ein Lächeln erscheint unter dem geflochtenen Hut, den er zur Feldarbeit trägt, als er sagt: “Seht ihr, wieviel größer meine Pflanzen sind, als bei meinem Nachbarn? Sie haben Kraft, meine Reispflanzen.” Und tatsächlich sieht auch ein Laie, dass auf keinem der Felder rundum Pflanzen stehen, die bereits Körner ansetzen – wohl aber bei Oskar.

Auch das ist ein Ergebnis der landwirtschaftlichen Beratung und Unterstützung, denn so war er gerüstet, als der erhoffe Regen ausblieb. Er hat eine Art Kinderstube für den Reis gebaut, in der die Samen zu kräftigen Jungpflanzen heranwachsen konnten – ganz in der Nähe des Flusses. Mit einer geliehenen Pumpe war es nicht weiter schwer sie mit Wasser zu versorgen.

Als dann der Regen endlich kam, konnte er sie auf sein Feld bringen, wo sie so prächtig gedeihen. “Die Investition in die Pumpe hat sich gelohnt, auch die Mehrarbeit.”, da ist er sich sicher.

Immer wieder lacht er, als wir sein Feld umrunden – Freude über den Erfolg, Freude über die zu erwartende Ernte. “Danke für euren Besuch, danke für eure Unterstützung.”, ruft er uns zu, als er am Ende unseres Besuchs mit seinem Fahrrad über den kleinen Pfad zwischen den einfachen Häusern verschwindet.

Die Zukunft des Landes

Die Fahrt ins Dorf Katindiuka habe ich unzählige Male gemacht. Meist mit dem Rad, selten mit dem Auto, so wie dieses Mal. Was für mich neu ist, sind die kleinen Teiche aus Regenwasser, die nicht nur neben, sondern auch auf der ungeteerten Straße eine Herausforderung für Mensch und Maschine sind. Das Wasser ist durch die sandige, rote Erde trüb und es ist schwer abzuschätzen, wie tief unter der Oberfläche sich der Boden befindet.

Wir schaffen es wohlbehalten nach Katindiuka und zum ersten Ziel des Tages, der Grundschule. Überschwänglich und mit festem Handschlag begrüßt uns die Direktorin, Upendo Edward,  die uns bereits bei unserem letzten Besuch sehr beeindruckt hat. Durch ihr einnehmendes Wesen, ihre Freundlichkeit, aber auch den wachen Geist und ihre Stärke, schafft sie es die Schule durch so manche Herausforderungen zu navigieren.

Die Direktorin vor der Schule in Katindiuka

963 Schülerinnen und Schüler und 16 Lehrpersonen …das ist viel Verantwortung. 10 Klassen sind es derzeit, eigentlich sollten es mit diesen Schülerzahlen 20 sein. Doch für den Bau von weiteren Räumen fehlt das Geld. Und selbst von den bestehenden sind bereits mehrere durch den Verein der Freunde von Ifakara errichtet worden. Ebenso die Toiletten der Schule, und bei der Anzahl an Menschen auch dringend notwendig.

Dafür ist nicht nur sie selbst dankbar, nein, das ganze Dorf, sagt sie, “Alle profitieren davon, ohne Zweifel.”

Neue Toiletten an der Schule

Wir besuchen einzelne Klassen und sehen etwas beim Unterricht zu. Für Lehrpersonen, aber auch für Schülerinnen und Schüler sind es schwierige Voraussetzungen …bis zu 145 junge Menschen sitzen in den Klassen, besonders in den niedrigeren Jahrgangsstufen. Und in München Klassen gibt es gerade für die Hälfte aller Lernenden Bänke,  im Wechsel sitzt die habe Klasse auf dem Boden, schreibt, rechnet und lernt dort. “Eigentlich sollte die Regierung die Bänke stellen, aber …”, der Satz der Direktorin endet mit einem hilflosen Blick. Sie hätten schon versucht etwas über Eltern zu organisieren, aber auch hier fehlt das Geld. Umgerechnet knapp 40 Euro kostet eine Bank, zu viel für die meisten der Familien in Katindiuka.

Die überfüllten Klassen und die fehlende Ausstattung führt oft zu schlechteren Lernerfolgen bei den jungen Menschen hier und an vielen Orten in Tansania und anderen Ländern. Für Rückfragen, für individuelle Hilfen, für so vieles ist keine Zeit, egal wieviel sehr sich die Lehrkräfte bemühen.

Die Zukunft dieses Landes liegt in den jungen Menschen. Ihre (Aus-)Bildung und deren Qualität wird einen großen Teil dazu beitragen, wie es mit Tansania weitergeht. Die Möglichkeit ihre Potentiale zu entfalten wird darüber entschieden, wie gut das Land voran kommt. Veränderungen und Verbesserungen für dad Leben aller hier, werden durch die kommenden Generation entstehen, wenn sie die Chancen dazu bekommen. In die Möglichkeiten von Bildung zu investieren, das bleibt uns als Verein ein Herzensanliegen.

Für die Schülerinnen und Schüler bleibt beim Gruppenfoto zu Beginn der Pause heute aber vor allem eines in Erinnerung: gleich 2 “Wazungu” (Europäer) waren da und sie konnten sogar ein Bisschen Kiswahili.

Das Warten

Unser Alltag in Europa ist schnelllebig. Alles muss effizient erledigt werden, darf nicht zu lange dauern und Pünktlichkeit ist selbstverständlich.  Warten … nichts was wir in unserem täglichen Leben besonders gut können.

Hier ist das Warten allgegenwärtig. Immer und überall. Geduld ist eine Tugend, die die meisten Menschen in Afrika meisterlich beherrschen.  So auch der junge Mann, der vor dem Büro unserer Partnerorganisation, der IALI-Foundation steht, Kelvin. Er wartet schon lange darauf jemanden von der Organisten zu treffen, die ihn unterstützt hat, sagt er mir gleich zu Beginn. Mit strahlendem Lächeln schüttelt er mit die Hand und lässt sie nicht mehr los. Vor 9 Jahren hat er mit einem Stipendium unseres Vereins seine Ausbildung zum Grundschullehrer abgeschlossen. Lange hat ihm der Mut gefehlt uns zu kontaktieren,  denn eine Anstellung in einer staatlichen Schule gab es nicht – einmal mehr musste er warten.  Die paar Stunden Unterricht, die er an einer kleinen Privatschule hält reichen nicht zum Überleben, er hat auch Felder auf denen er Verschiedenes anbaut und selbst das ist nur knapp genug, denn inzwischen hat er selbst eine Familie gegründet und die gesundheitlichen Probleme seiner Mutter nehmen auch zu.

Warum kommt er gerade jetzt zu uns? Tja, endlich hat es geklappt und er kann eine Stelle an einer staatlichen Schule im Süden des Landes antreten. Start: nächsten Montag. Er hätte Angst gehabt, dass wir denken, es wäre ein Fehler gewesen ihn zu unterstützen. Ein Fehler …

… wo kann der Fehler liegen, wenn man versucht jemanden zu unterstützen?Meistens darin nichts zu tun, zu denken, dass man sowieso nicht bewirken kann, zu resignieren. Nein, ein Fehler war es nicht. Unsere Hilfe als Verein ist frei con Verpflichtungen, beim Helfen geht es nicht um uns.

Bei diesem Treffen wird mir einmal mehr bewusst, was ich immer wieder in Gesprächen mit jungen Menschen hier merke: es steckt ein unglaubliches Potential und ein unglaubliches Maß an Motivation in den Menschen hier. Oft ausgebremst durch Armut und den Mangel an realistischen Perspektiven. Kelvin will neben der Stelle als Lehrer weiter studieren, denn nun ist der Lebensunterhalt gesichert und die Schule ist unweit einer Universitätsstadt. Er möchte auch an höheren Schulen unterrichten können. Er weiß, dass Ideen umsetzbar sind, sagt er mir, weil es ja schon einmal geklappt hat – Dank der Hilfe von euch, unseren Unterstützerinnen und Unterstützer. Und hoffentlich ohne lange Wartezeit.

Hühner …die etwas anderen Haustiere

Die ersten Projektbesuche sind immer besonders spannend für mich. Was ist seit dem letzten Besuch passiert, was gibt es für Entwicklungen und vor allem: wie geht es den Menschen und was hat sich für sie getan?

Nach wie vor ist die Landwirtschaft eine der wichtigsten Einnahmequellen für die allermeisten Tansanianerinnen und Tansanianer. Und so ist es wenig überraschend, dass auch viele unserer Unterstützung im Bereich der Existenzgründungsprojekte mit der Landwirtschaft zu tun haben.

Wir machen uns auf den Weg über kleine Seitenstraßen, die kaum mehr sind als Pfade, zu einem der Projektstandorte im Ortsteil Kibaoni. Es hat in den letzten Tagen endlich geregnet – die Regenzeit im April ist fast zur Gänze ausgefallen. Nun bilden sich kleine und größere Tümpel neben den Häusern und auf den Wegen. “Wir hoffen es regnet weiter, bis Juni am Besten.”, das hören wir immer wieder. Auch wenn es die Gefahr gibt,  dass einige Häuser durch das Wasser beschädigt werden – das erscheint vielen als kleiner Preis, wenn die Alternative die Trockenheit auf den Feldern wäre. Die vor Kurzem bepflanzten Felder braucht jetzt Wasser.

Auch für Ophemia und ihre Tochter Rosemary sind die Felder die Haupteinnahmequelle. Damit sie aber nicht nur davon abhängig sind, haben sie eine für uns zuerst unkonventionell klingende Idee gehabt, was man (beziehungsweise Frau) mit 2 leerstehenden Räumen im Haus machen könnte. Und so sind neben dem Wohnzimmer und dem Schlafzimmer jetzt 2 Räume für die Aufzucht von Hühnern reserviert. Der Ertrag, den sie durch Aufzucht und Verkauf der Hühner erwirtschaften ist höher, als die Einnahmen durch die Vermietung der Zimmer bekommen würden. Und jetzt tummeln sich sich den Zimmern die Küken. Die Schalen der Reiskörner sind vorhanden und als Einstreu gut geeignet und die Kosten für Futter und Wasser halten sich in Grenzen. Gerne zeigen sie uns ihre Tiere, die ihnen ein gutes Zusatzeinkommen ermöglichen. Zum Beispiel für das Schulgeld für Alice, die Tochter von Rosemary … denn Bildung kostet in Tansania – leider.o